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Die Karolinger bauten auf die Römer

21.04.2017

Großprojekt „Pfalzenforschung“ bringt neue Erkenntnisse insbesondere zum Rathaus . Ergebnisse werden am 27. April präsentiert.

 

Mehr als 2000 Jahre Siedlungskontinuität und 1200 Jahre alte Bauwerke prägen den Aachener Markthügel. Dabei gibt es bisher zur Stadtgeschichte an diesem zentralen Ort mehr Fragen als Antworten. Das Projekt Pfalzenforschung hat sich seit 2010 intensiv mit diesem Siedlungsbereich auseinandergesetzt. Zum Abschluss des Projektes werden die Ergebnisse am Donnerstag, 27. April, um 18.30 Uhr im Krönungssaal des Aachener Rathauses einem breiten Publikum vorgestellt. Der Eintritt ist frei.

Eine beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Archäologen, Bauforschern, Denkmalpflegern und Historikern ermöglichte es, die historischen Befunde neu aufzuarbeiten und neue Forschungen zu Rathaus, Pfalz und Markthügel umzusetzen. Aufgrund der Arbeiten ist es nun möglich, die Geschichte dieses für die Historie und das Verständnis Aachens zentralen Bereiches genauer zu fassen und die Bauphasen den einzelnen Epochen besser zuzuordnen. 

„Es ist uns sehr daran gelegen, die Erkenntnisse allen interessierten Aachenerinnen und Aachenern zu erläutern“, sagt Monika Krücken, Abteilungsleiterin Denkmalpflege und Stadtarchäologie der Stadt Aachen. „Tatsächlich sind wir durch das erfolgreiche interdisziplinäre Projekt nun auch beim Rathaus um viele Informationen reicher.“ 

Einmaligkeit auch heute spürbar

Wer Entscheidungen in der Denkmalpflege trifft, muss Grundlagen und Wissen haben. Monika Krücken beschreibt das für die Mitstreiter in dem Forschungsprojekt, das über das Investitionsprogramm „Nationale Unesco-Welterbestätten“ finanziert wird, so: „In der Aachener Pfalzanlage manifestierte sich zur Zeit Karls des Großen die religiöse und politische Macht in einem Ensemble aus Bauwerken und umschlossenen Plätzen. In dieser räumlichen Konzentration, Proportion und Repräsentanz ist ihre Einmaligkeit auch heute noch spürbar.“ Pfalzen, also Herrscherresidenzen, königliche Machtzentren und Regierungsstätten, wurden vielfältig erforscht. So ist das auch in Aachen. 

Während der Dom als Unesco-Weltkulturerbe in weitreichenden Untersuchungen gut dokumentiert ist, gab es diese Erkenntnisdichte für das Rathaus – die frühere Aula Regia – und die Gesamtpfalz nicht. Das Projekt Pfalzenforschung hat viele unbekannte Fakten zutage gefördert und alle wichtigen Untersuchungen neu ausgewertet. Dadurch konnten viele der bisher gemachten Annahmen relativert und neue Erkenntnisse gewonnen werden. 

Perspektivwechsel nötig

Die nun vorliegenden Ergebnisse des aktuellen Forschungsprojektes helfen also, die Lücken zu schließen. Archäologische Untersuchungen und bauhistorische Forschungen konnten mit vielfältiger Förderung und unter Einsatz neuester Methoden Ergebnisse liefern, die manchen Perspektivwechsel herausfordern. 

Zu den neuen Erkenntnissen in der Pfalzenforschung gehört, dass die Karolinger offenbar in größerem Umfang auf das römische Erbe zurückgreifen konnten, als bisher angenommen wurde. „Wir haben durch die Ausgrabungen am Rathaus und am Markt Hinweise gefunden, dass die römische Wehrmauer erst im 12. Jahrhundert in größerem Umfang abgebrochen wurde“, erläuterte Stadtarchäologe Andreas Schaub. 

Der Katschhof sei in karolingischer Zeit kein freier Platz gewesen, sondern wurde von einer diagonal verlaufenden Straße durchtrennt, die bis ins 14. Jahrhundert existiert habe. 

„Die Pfalz ist nicht plötzlich erbaut worden, sondern sukzessiv entstanden“, so Schaub weiter. „Aachen trug lange Zeit einen römischen Grundriss.“

Mit Kurzvorträgen aus den verschiedenen Fachgebieten werden bei der Präsentation am 27. April im Krönungssaal in zwei thematischen Sektionen (1. Geschichte und Archäologie; 2. Bauforschung und Denkmalpflege) die Methoden und Forschungsergebnisse vorgestellt und allgemein verständlich erläutert.

Der Abend wird abwechslungsreich und interessant: So kommt unter anderem der RWTH-Historiker Harald Müller zu Wort, der die Entstehung und Bedeutung der Aachener Pfalz aus historischer Sicht erläutert. Die archäologischen Grabungen von 2011 bis 2014 stellt Stadtarchäologe Andreas Schaub vor. Schließlich wird Sebastian Ristow die archäologischen Forschungen der Vergangenheit analysieren und für die heutige Nutzung aufbereiten.

Tägliche Entscheidungen

Erläuterungen zu den Zielen und Methoden der Bauforschung wird Christian Raabe, ebenfalls RWTH, beisteuern, die Forschungsgeschichte des Aachener Rathauses stellen seine Mitarbeiter, die Bauhistoriker Judith Ley und Marc Wietheger, vor. Sie erklären auch die Vorgehensweise zur Untersuchung des Bauwerkes. Praktische Denkmalpflege am Rathaus wird von Isabel Maier, Denkmalpflege der Stadt Aachen, beschrieben, die Sanierung der historischen Glasbetonfenster mit Textilbeton erklärt Sergej Rempel von der RWTH Aachen. 

Der Nutzen der Forschung liegt auf der Hand. Monika Krücken: „Denkmalpflegerische Entscheidungen werden tagtäglich bei Sanierungen getroffen. Und viele Fragen beschäftigen uns: Ist die beabsichtigte Änderung denkmalverträglich? Welche Materialwahl ist die richtige? Wie kann langfristig die Substanz des Bauwerks gesichert werden? Falsche Entscheidungen bedeuten unter Umständen Substanzverlust und falsche Investitionen.“ 

Die Veranstaltung der Stadt Aachen wird unterstützt vom Rathausverein Aachen, vom Aachener Geschichtsverein, von „RWTH extern“ und „KuBiS“, dem kulturellen Bildungsnetzwerk der Städteregion Aachen. Den Abend moderiert Stadtsprecher Bernd Büttgens. 

Zum Thema des Vortragsabends ist im Geymüller-Verlag für Architektur eine Publikation – „Offensichtlich verborgen. Die Aachener Pfalz im Fokus der Forschung“ – erschienen.

(mit freundlicher Genehmigung der "Aachener Zeitung")